LÁZÁR by Nelio Biedermann by Nelio Biedermann

LÁZÁR by Nelio Biedermann by Nelio Biedermann

Autor:Nelio Biedermann [Biedermann, Nelio]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Anfangs hatte Pista der Ausbruch des Kriegs kaum beunruhigt. Er konnte sich nichts darunter vorstellen, denn über den letzten Krieg wurde nicht gesprochen – zu frisch und zu tief waren die Wunden, die der Vertrag von Trianon hinterlassen hatte – und Polen war zwar nicht weit, aber so nah dann auch wieder nicht.

Als sein Vater, der die ersten Tage nach dem deutschen Überfall nichts anderes getan hatte, als Zeitung zu lesen und Radio zu hören, Ende Monat immer noch nicht zu seiner Arbeit zurückgekehrt war, begann er sich jedoch allmählich Sorgen zu machen. Dieses Dahinleben sah dem Baron, der dem Namen Lázár mit seiner landwirtschaftlichen Begabung, seinem geschickten Umgang mit Geld und seinem unermüdlichen Fleiß eigenhändig zu seinem alten Glanz verholfen hatte, nicht ähnlich.

Doch auch Lilly verhielt sich seltsam. Aus unerklärlichen Gründen bezog sie alles auf den Krieg, den sie spätestens seit dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen zum Mittelpunkt ihrer Welt erkoren hatte. Stritt er sich beispielsweise mit Eva um ein letztes Stück Dobostorte, sagte sie: «In Europa herrscht Krieg und ihr streitet euch um ein Stück Kuchen. – Ihr solltet euch schämen!»

Regnete es dazu, meinte sie: «Wenigstens nimmt das Wetter Rücksicht auf die Weltlage!»

Obwohl es also Anzeichen gegeben und sich auch in seinem Körper eine leichte Unruhe ausgebreitet hatte, war er zu beschäftigt mit seinen Gedanken an Matilda gewesen, um den Zusammenbruch seiner Welt kommen zu sehen.

Damit er keine der unzähligen Einzelheiten und Facetten, die sie ausmachten, vergaß, trug er, seit sie sich im Frühling voneinander verabschiedet hatten, einen kleinen, silbernen Wecker mit sich, der alle Stunde klingelte und ihn daran erinnerte, an Matilda zu denken.

Nicht, dass er das nicht ohnehin ununterbrochen getan hätte, aber die Liebe war ihm zu groß, um sie dem Zufall zu überlassen.

Aus demselben Grund war er den ganzen Sommer ins Bett gegangen, sobald die ersten Fledermäuse am Himmel erschienen waren, sodass er genug Zeit gehabt hatte, bei offenem Fenster in seinem Zimmer zu liegen, auf das Zirpen der Grillen und die Stimmen seiner Eltern im Garten zu lauschen und sich Matilda so detailliert vorzustellen, dass er gegen Mitternacht glaubte, sie stehe wirklich vor ihm, in ihrer dunkelblauen Uniform mit der Pfauenbrosche auf der Brust und einem Brief in der Hand.



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